Buchtipp: Das alte Haus an der Gracht

Inhalt

Mitten in Amsterdam, an der Prinsengracht 263, steht ein altes Haus, das vor beinahe 400 Jahren dort gebaut wurde, wo zunächst nur feuchtes Marschland und ein Zuhause für Reiher und Feldmäuse war. Das Haus hat eine wechselvolle Geschichte, beherbergte reiche und arme Bewohner, erlebte schreckliche Zeiten unter der Pest und florierende Zeiten voller Wohlstand. Irgendwann zog ein Mann mit seiner Familie ein, der Gewürze verkaufte. Manchmal besuchte ihn seine Tochter, die immer Notizbuch und Stift bei sich trug. Eines Tages kamen Soldaten und das Mädchen und seine Familie mussten sich im Hinterhaus verstecken. Lange lebten sie dort im Versteck, während das Leben draußen vorbeizog. Bis Soldaten sie schlussendlich doch entdeckten und mitnahmen. Zwei Frauen fanden das Notizbuch des Mädchens und bewahrten es auf. Eine lange Zeit später kam der Vater zurück und erhielt von den beiden Frauen das Notizbuch seiner Tochter. Er entschloss sich, den Text, die Erinnerung an und das letzte Zuhause seiner Tochter mit der ganzen Welt zu teilen.

Stil, Sprache & Illustration

Nach dem Krieg wollte ein Investor das Haus an der Prinsengracht abreißen und eine Lagerhalle bauen. Doch Otto Frank, Anne Franks Vater, konnte die Käufer überreden, das Haus der Stadt zu schenken. Das Haus wurde renovierte und 1960 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die wechselhafte Geschichte des Hauses erzählt der britische Autor Thomas Harding auf eine angenehm unaufgeregte Weise. Er führt sensibel in das Thema Holocaust ein, indem er die Deportation der Familie Frank lediglich als einen Moment in der Existenzgeschichte eines Hauses skizziert, der jedoch groß genug ist, um die Geschichte des Hauses unwiderruflich zu verändern. Dabei bleibt die Erzählung durchgehend kindgerecht und lässt genug Leerstellen, an die (je nach Altersgruppe der Rezipient:innen) angeknüpft werden kann. Die Illustrationen von Britta Teckentrup sind in ruhigen, gedeckten Farben gehalten. Die meisten Figuren sind gesichtslos, entweder weil abgewandt oder schemenhaft skizziert, wodurch die meisten Illustrationen an historische Stadtgemälde erinnern. Lediglich Anne Frank, ihr Vater und die Frau, die das Tagebuch findet, sind erkennbar und dem Betrachter zugewandt. Jahreszahlen an den Rändern rahmen die historische Entwicklung und helfen Zuhörenden dabei, ein Bewusstsein für Geschichte als eine Kontinuität von kleinen und großen Ereignissen zu entwickeln. Alles in allem ein besonderes Bilderbuch aus dem Verlag Jacoby&Stuart, dass v. a. für Grundschüler:innen (aber auch ältere Kinder) einen hervorragenden Zugang zu einem besonders komplexen und schwierigen Thema bietet. 

Pia Raupp

*Rezensionsexemplar*

Autor:in Thomas Harding & Britta Teckentrup
Illustration Britta Teckentrup
Verlag Jacoby&Stuart Verlag
Erscheinungsjahr 2023
Altersempfehlung ab 6 Jahren
LeseWelten Bibliothek vorhanden

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