Buchtipp: Der Kamishibai-Mann

Inhalt

Obwohl der alte Mann und die alte Frau, die auf dem kleinen Haus auf dem Hügel lebten, keine Kinder hatten, nannten sie sich gegenseitig „Jiichan“ und „Baachan“. Opa und Oma. Jiichan, der nicht mehr gut zu Fuß ist, war früher ein Geschichtenerzähler. Ein Kamishibai-Mann, der kleine wie große Zuhörer:innen mit phantastischen Erzählungen und Bildern begeisterte und Süßigkeiten verkaufte. Und er vermisste das Erzählen. Obwohl viel Zeit vergangen war, entschloss er sich, wieder mit seinem Fahrrad und seinem Kamishibai die Stadt zu ziehen. Doch die Welt hatte sich verändert: Voller Autos, Licht und Lärm war sie, dafür fehlten die Bäume. Dennoch: als er die Holzklötze gegeneinander schlug, kamen die ersten Zuhörer:innen. Er erzählte vom Pfirsichjungen, von der Bambusprinzessin – aber vor allem von dem Kamishibai-Mann, der tag ein, tag aus Geschichten erzählte und langsam von grauen schwarzen Kisten mit bewegten Bildern und schrillen Tönen verdrängt wurde. Dem gesagt wurde, er solle still sein, bis nur noch ein einzelner letzter Junge übrig war, der ihm zuhörte. „Ich war dieser Junge!“ schallte es da plötzlich aus dem Publikum. Jiichan blickte auf und verdutzt auf die große Menschenmenge. Es waren die Männer und Frauen von früher, die sich erinnerten und ihn begeistert darum baten, ihnen und ihren Kindern die Geschichten ihrer Kindheit noch einmal zu erzählen.

Stil, Sprache & Illustration

Allen Say, aufgewachsen in Japan, erinnert sich an das Papiertheater seiner Kindheit, das der Mann auf dem Fahrrad und mit den Süßigkeiten in der Schublade vortrug. Ein Holzkasten auf dem Fahrrad wurde mit bunten Bildkarten bestückt. Und jedes Mal, wenn die Geschichte besonders spannend war, endete der Vortrag und wurde am kommenden Tag fortgeführt.

Kamishibai wurden in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts während der Wirtschaftskrise populär und blicken auf eine lange Genese des erzählenden Theaters zurück. Geschichtenerzähler verkauften Süßigkeiten und erzählten spannende Geschichten, deren Cliffhänger dazu führten, dass das Publikum wiederkam. Mit „Der Kambishibai-Mann“ setzt Allen Say der wunderschönen Tradition sein ganz eigenes Denkmal.

Heute werden Kamishibai auch in Köln genutzt: LeseWelten setzt Kamishibai beim Vorlesen ein, die Stadtbücherei Köln bietet welche zum Ausleihen. Viele Verlage verkaufen Kamishibaikarten. Dabei verbindet das Kamishibai Bild-, Text- und Erzählebene auf ganz besondere Weise und zeigt, dass das Sehen, Hören und Erleben von Geschichten auch abseits von Bildschirmen funktioniert.

Pia Raupp

Autor:in Allen Say
Illustration Allen Say
Verlag Edition Bracklo
Erscheinungsjahr 2015
Altersempfehlung ab 5 Jahren
LeseWelten Bibliothek vorhanden