Buchtipp: Die letzte Reise. Janusz Korczak und seine Kinder
Inhalt
Die Geschichte von Janusz Korczak beginnt mit dem Anfang vom Ende des ersten Kapitels: Der berühmte Arzt wurde verhaftet, raunt es durch die Straßen des Ghettos. In drei Kapiteln (Auf Wiedersehen, Krochmalna-Straße / Das Haus der Tränen / Der letzte Umzug) erzählt der kindliche Erzähler Simon vom Abschied der Kinder aus dem Waisenhaus in der Krochmalna-Straße 92 und ihrem Umzug in das Warschauer Ghetto in die Chlodna-Straße 33 am 29. September 1940 und dann später in die Sienna Straße 16 am 26. Oktober 1941. Simon erzählt tagesbuchartig von den wenigen Habseligkeiten, die jedes Kind mitnehmen kann und besonders von den Andenkenpostkarten, die Korczak verteilte, wenn ein Kind ein wichtiges Ereignis erlebt hat, das es zu erinnern gilt. Simon erzählt von den Menschen, von denen sie Abschied nehmen und von den Menschen, mit denen sie zusammenleben. Er erzählt von der Welt draußen und von der Welt im Inneren, von den Regeln des gemeinsamen Lebens und den pädagogischen Vorstellungen von Pan Doktor und den phantastischen Welten, die er im Leben der Kinder erzeugt. Der kindliche Erzählduktus und das Gespräch mit dem jüngeren Mietek bilden dabei den roten Faden des Bilderbuches. Dabei wird die Welt der Jungen nicht nur topographisch immer kleiner. Am 5. August 1942 wechselt der Erzähler: eine unbekannte Person berichtet bildlich wie lyrisch aus der Vogelperspektive von der letzten Reise aller Kinder. Auch Doktor Korczak war dabei, obwohl ihm ein Bote einen Brief mit dem Versprechen auf Freiheit gebracht hatte. Er lehnte ab und begleitet die Kinder in die Eisenbahnwaggons, die sie nach Treblinka brachten.
Stil, Sprache & Illustration
Das Bilderbuch „Die letzte Reise“ lebt gleichsam von Text wie Bild und ist dabei auf beiden Ebenen gleichermaßen gewaltig. Die in sepiafarben gehaltenen realistischen Illustrationen von Quarello bilden den großformatigen Hintergrund für die kindtypischen aber nicht minder bildgewaltige Sprache von Cohen-Janca. Quarello spielt dabei mit emotionalisierenden Personengruppen, grauen Häuserfassaden und symbolträchtigen Details. Trotz der durchweg düsteren Atmosphäre spiegeln die Bilder das Aufflackern der Unbeschwerheit, die die Kinder durch den besonderen pädagogischen Ansatz von Korczak erleben. Dabei ist das Bilderbuch zutiefst berührend und an der Schwelle zwischen Bilderbuch und Graphic Novel anzusetzen. Das Buch richtet sich an Kinder ab 10 Jahren und ist damit für ältere Grundschulkinder geeignet; bietet aber ebenso Material um mit älteren Kindern oder Erwachsenen in das Thema Holocaust und Kinderrecht einzusteigen. Die Pädagogik und Vorstellungen von Janusz Korczak, dem posthum der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde, bildete (neben den Arbeiten der schwedischen Pädagogin Ellen Key) die Grundlage für die Entstehung der UN-Kinderrechtskonvention. Einen historischen Überblick bietet die Bundeszentrale für politische Bildung: Drei Jahrzehnte UN-Kinderrechtskonvention.
Pia Raupp
Autor:in | Irène Cohen-Janca |
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Illustration | Maurizio A.C. Quarello |
Verlag | Jacoby & Stuart Verlag |
Erscheinungsjahr | 2015 |
Altersempfehlung | ab 10 Jahren |
LeseWelten Bibliothek | vorhanden |